Phäochromozytom

Phäochromozytom

eINGRIFFSSPEZIFISCHE bESONDERHEITEN

  • Phäochromozytome sind seltene, Katecholamin produzierende, neuroendokrine Tumoren
  • In etwa 85% der Fälle entstehen diese im Nebennierenmark
  • bei extra-adrenalem Ursprung aus den Neuralganglien, werden sie als Paraganliome bezeichnet (WHO Klassifikation)

Inzidenz

  • Die Inzidenz beträgt 0.8 pro 100.000 Personen pro Jahr
  • Paroxysmale Blutdruckkrisen mit Schwitzen, Kopfschmerzen und Palpitationen sind häufige Symptome
  • Die Prävalenz für ein Phäochromozytom/Paragangliom bei Patienten mit arterieller Hypertonie beträgt 0.2-0.6%.
  • 10-15% der Phäochromozytome bzw. 20-50% der Paragangliome sind mit maligner Entartung assoziiert
  • Genmutationen treten in 32-79% der Fälle auf

Diagnostik

  • Die biochemische Diagnostik erfolgt durch Bestimmung der freien Metanephrine im Serum (Sensitivität 99% [Confidence Intervall 96%-100%], Spezifizität 89% [Confidence Intervall 87% – 92%])
  • Nach klarer biochemischer Evidenz sollte eine Bildgebung mittels Comptertomographie oder alternativ MRI für die Bestimmung der anatomische Lokalisation des Tumors durchgeführt werden
  • Selten auch 123I-MIBG-Szintigraphie, 18F-FDG-PET/CT, 18F-DOPA-PET/CT

Therapie

  • Die kurative Behandlung ist eine chirurgische Tumorresektion
  • Ein gutes, perioperatives Management ist hierbei essentiell
  • Eine gute präoperative, medikamentöse Vorbereitung des Patienten ist erforderlich, um die Gefahr von perioperativen, hypertensiven Krisen zu verringern
  • Die perioperative Mortalität unbehandelter Patienten wird in der Literatur mit bis zu 50%, bei behandelten Patienten mit 2% beschrieben.

Präoperativ

αlpha-Blocker

  • Blockade mit α-adrenergen Antagonisten (Ziel: normotensive Blutdruckwerte) mindestens 7-10 Tage präoperativ
  • Nicht selektive irreverisible α-Antagonisten: Phenoxybenzamin (Dibenzyran®) oder
  • Selektive α1-Antagonisten (kompetitiv): Doxazosin (Cardura®)
  • Als „add-on“ Therapie Calciumantagonisten (Nifedipin, Amlodipin)

βetha-Blocker

  • Zur Frequenzkontrolle können Betablocker (Propanolol, Atenolol) verwendet werden
Beta-Blocker frühestens nach 3-4 tägiger Vorbehandlung mit α-adrenergen Antagonisten, ansonsten droht ein kardiales low output

Ernährung

  • Natriumhaltige Diät und hohe Flüssigkeitseinnahme (Verringerung einer orthostatischen Hypotonie)

Intraoperativ

Monitoring

  • „Standardmonitoring“ plus
  • Arterielle Druckmessung (wach)
  • 3-Lumen-ZVK (ZVD Messung, gegebenenfalls Vasopressorengabe)
  • Cardiac output Monitoring bei Patienten mit Kardiomyopathie
  • Grosser, peripherer Zugang
  • Urinkatheter
  • PDK in Betracht ziehen (verringerter Sympathikotonus im OP Gebiet)

Anästhesieführung

Vermeide Stress, Schmerz, Angst, Hypoxie und Hyperkapnie
  • Gute Prämedikation
  • Intubation bei ausreichender Narkosetiefe
  • Vermeide Sympathikus stimulierende Medikamente (Kein Ketamin und kein Desfluran)
  • Vorsicht bei Histamin freisetzenden Medikamenten: Succinylcholin, Metoclopramid, Ephedrin, Morphin
  • Histaminfreisetzung bewirkt Katecholaminfreisetzung (H1), Tachykardie und positive Inotropie (H2)
  • Engmaschiges Blutzuckermonitoring (bei vermehrter Katecholaminfreisetzung gesteigerte Glykogenolyse, Hemmung der Insulinsekretion)
  • Remifentanil = positives Wirkungsprofil
  • Vermeide Volumendepletion
  • Normothermie
  • Verringerter Insufflationsdruck (8-10 mmHg) bei Anlage des Pneumoperitoneum möglicherweise hämodynamisch günstiger
Hämodynamische Instabilität ist jederzeit möglich

Intraoperative Hypertonien und Tachyarrhythmien

Natrium-Nitroprussid

– Potenter direkter Vasodilatator

  • Wirkung über Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) in der glatten Muskulatur (Cyanid-Toxizität in klinischen Dosen selten)

Nitroglycerin

  • Vasodilatation über NO-Freisetzung

Magnesiumsulfat

  • Direkter Vasodilatator
  • Vermindert Katecholaminfreisetzung
  • Reduzierte α-Rezeptor Empfindlichkeit
  • Antiarrhythmikum

Dexmedetomidin

  • Selektiver α2-Rezeptoragonist->reduzierte NA-Freisetzung

Phentolamin

α-Blocker, direkter Vasodilatator (Tachyphylaxie, Tachykardie) 1-5mg i.v.

Calciumantagonisten

  • Clevidipin (ultrakurzwirksam, gefässelektiv), 2 mg/h, Maximaldosis 32mg/h i.v.

Labetalol

  • α- und β-Blocker 5-20mg i.v.

Esmolol

  • Kurzwirksamer Betablocker 10-50 mg i.v.

Amiodaron, Lidocain

Hypotension vor Tumorresektion 

  • Vor Ligatur der Nebennierenvene
  • Flüssigkeit
  • Direkt wirksame α-Agonisten (Phenylephrin (20-100 mcg))
  • Kein Ephedrin, kein Noradrenalin (cave: Überschiessende Wirkung)

Hypotension nach Tumorresektion

  • Nach Ligatur der Nebennierenvene
  • Plötzliches Absinken der Katecholaminkonzentration, andauernde α-Blockade, down Regulation der Adrenorezeptoren, Hypovolämie
  • Flüssigkeit
  • Direkt wirksame α-Agonisten (Phenylephrin (20-100 mcg))
  • Eventuell Noradrenalin
  • Bei fehlendem Ansprechen: Vasopressin (bis max. 0.04E/min).
  • Steroidsubstitution in Betracht ziehen (insbesondere bei bilateraler Adrenalektomie)

Postoperative Gefahren

  • Refraktäre Hypotension
  • Hypoglykämie (übermässige Insulinfreisetzung, inadäquate Glykogenolyse)
  • Nebennierenrindeninsuffizienz (inbesondere bilaterale Adrenalektomie)
  • Postoperativ ZIM

Quellen

  • Knuttgen D, Wappler F. Anasthesie bei Phaochromozytom – Besonderheiten, mögliche Komplikationen; Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008 ; 1: 20–27
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
Prof. Dr. med. Christoph Konrad
Chefarzt Anästhesie, Schmerztherapie, Rettungsmedizin