Niereninsuffizienz

Niereninsuffizienz

Niereninsuffizienzstadien

Niereninsuffizienzstadium Kreatinin-Clearence (ml/min)
Normal 90–140
Leichte NI – Grad 1 60–90
Mittlere NI – Grad 2 30–60
Schwere NI – Grad 3 15–30
Nierenversagen – Grad 4 < 15

Kreatinin-Clearance

  • Kreatinin-Clearance sollte im steady-state sein

Clearance-Rechner

Cockroft-Gault-Schätzung

Clearance= [ (150 – Alter) x (Ideal) Gewicht ] / Serum-Kreatinin (in micromol/l)

 

Prämedikation

dialysepflichtige Patienten

5 Wichtige Fragen

  • Welche Dialyseart (Hämodialyse, CAPD)
  • Wann letztmals? Zyklus
  • Dialyseweg: Shuntarm (kennzeichnen/notieren!), Shaldon, Permcath, Tenckhoff-Katheter
  • Kalium: Welche Kalium-Werte im „steadystate“, aktuelles Kalium
  • Erlaubte Trinkmenge pro Tag (= Resturin + 500ml)

Peritonealdialyse (CAPD)

  • Peritonealdialyse erfolgt meist 4x/d; Dauer ca. 30-45Min; Infundiertes Volumen 2–2,5L
  • Patient muss vor jeglicher Operation das Dialysat ablassen
  • Bei nicht-abdominellen Eingriffen kann bei guter Atemfunktion rasch postoperativ wieder mit der CAPD begonnen werden
  • Bei abdominellen Eingriffen bedarf es einer Überbrückung mittels Hämodialyse für mehrere Wochen –> intraoperative Einlage eines Shaldon-Katheters diskutieren
Prämedikation mit Benzodiazepinen sehr restriktiv handhaben da die aktiven Metaboliten (z.B. Dormicum®): eine verlängerte HWZ aufweisen

Monitoring und Leitungen

  • EKG, Pulsoxymerie und NiBP am NICHT-Shunt Arm
  • Periphere Leitungen am NICHT-Shunt Arm
  • Falls art. Kath. notwendig –> wache Einlage am NICHT-Shunt Arm und aBGA (Kontrolle Ausmass der met. Azidose und resp. Kompensation)
Cave gute Lagerung Shunt-Arm; regelmässige Kontrolle des „Schwirrens“

ZVK

  •  Wenn möglich vermeiden
V. Subclavia-Punktion „verboten“ bei hoher sekundärer Stenoserate und darausfolgender Unmöglichkeit der evöentuellen Dialyseplanung über einen Shunt an diesem Arm
V. jugularis interna rechts möglichst schonen falls im Verlauf ein Shaldon/PermCath notwendig ist zur Überbrückung bei einer Shunt-Dysfunktion

PDA

  • Optimale Analgesie ohne Akkumulationsgefahr
  • Cave Thrombozytopathie
  • Management des PDK-Ziehens im Intervall zwischen den Dialysen (Pat. wird dazu vollheparinisiert!) –> erhöhte Gefahr eines epidurales Hämatom

Periphere REgionalanästhesie

  • Sind einer Allgemeinanästhesie vorzuziehen
  • Mit weitaus geringeren Komplikationen (s.u.)
  • Narkoseführung
  • CAVE: Thrombozytopathie, Vollheparinisierung zur Hämodialyse, Akkumulation von Niedermolekularen Heparinen, periphere Neuropathie

Besonderheiten Allgemeinanästhesie

Autonome Neuropathie

  • Durch erhöhte AT-II-Spiegel – Besserung unter ACE-Hemmer
  • Sympathikus-Überaktivität, Hypertension trotz eventuell intravasaler Hypovolämie
  • Parasympathische Dysfunktion, geringes Ansprechen auf Atropin
  • Gastroparese bei 69% der Dialysepatienten. Korreliert gut mit peripherer Neuropathie

Linksventrikuläre Hypertrophie

  • Durch chronische Volumen- und Druckbelastung
  • Diastolische Dysfunktion, Arrhythmieneigung
  • Hyperhydratation führt rasch zum Lungenödem

Chronische Anämie

  •  Cave gehäuft Antikörper bei erhöhtem Transfusionsbedarf

Haemostase

  • Urämisch bedingte Thrombozytopathie
  • Jedoch gesamthaft hyperkoagulabel 

Metabolische Azidose

  • Meist respiratorisch kompensiert

Hyperkaliämie

  • Regelmässige aBGA-Kontrollen bei grösseren Eingriffen
  • Cave Zunahme der Azidoe verstärkt die Hyperkaliämie (Shift)
  • Sekundärer Hyperparathyroidismus, Vit. D Mangel

Medikamente

  • Fentanyl: Nur 7% direkt durch Niere ausgeschieden; keine aktiven Metabolite
  • Remifentanil problemlos
  • Propofol (Disoprivan®): Pharmakokinetik nicht von NI beeinträchtigt Induktionsbolus sogar höher bei NI; steadystate Konzentration gleich; früheres Erwachen
  • Thiopental: Reduzierte Plasmaproteinbindung, Dosis verringern
  • Desfluran, Isofluran und Sevofluran (Diskussion wegen Compound A – durch Reaktion mit CO2-Absorber – im klinischen Alltag nichtig) problemlos
  • Rocuronium (Esmeron®): Gleiche Anschlagszeit; verzögerte Erholung: bei 0,6mg/kg TOF 70% nach ca. 90min vs 60min beim Nierengesunden
  • Succinylcholin: Transienter Kalium-Anstieg um 0,5-1mmol/l!
  • Atracurium (Tracrium®): Pharmakokinetik nicht von NI beeinträchtigt
  • Sugammadex (Bridion®): Cave nicht zugelassen bei NI! Bridion® hat keine nephrotoxische Wirkung. HWZ bei NI von 2,5h auf 66h verlängert!

Flüssigkeitsmanagement

Kein NaCl 0,9% (Na+154mmol/l; Cl-154mmol/l)

  • Natrium-Exkretion massiv reduziert
  • Führt rasch zu einer hyperchlorämen Azidose mit Verschlechterung der vorbestehenden Azidose
  • Folge: Reduktion der Inotropie

Ringerfundin (Na+154mmol/l; Cl-127mmol/l)

  • Besser als NaCl 0,9%
Allgemein: minimale notwendige Menge infundieren; wenn möglich nur «Tagesration» des Patienten

Postoperative Überwachung

Schmerzmanagement:

  • Paracetamol: Keine verlängerte HWZ bei NI; durch Dialyse teilweise eliminiert
  • Metamizol (Novalgin®): Gering verlängerte HWZ bei NI; sehr selten interstitielle Nephritis mit akuter (innert Tagen) Verschlechterung der NI
  • Keine NSAR: Verschlechterung der «Restfunktion» der Niere. Prostaglandin-Inhibition mit Senkung der Nierenperfusion: Oedeme, Hypertonie. Häufig interstitielle Nephritis vom verzögerten Typ (nach 3 Monaten)
  • Fentanyl PCA: Kaum aktive Metaboliten; keine Akkumulation bei NI; wird kaum durch Hämodialyse ausgewaschen
  • Keine Morphin-PCA: Aktive Metaboliten mit massiver Akkumulation bei NI (HWZ bis 72h)! Wird durch Hämodialyse ausgewaschen
  • Oxycodon (Oxycontin®/Oxynorm®): Aktive Metaboliten mit geringer Akkumulation (HWZ ist nur um 1h verlängert). Dosis halbieren; Applikationsintervall verlängern 

Kontrollen im AWR

Nach grösseren Eingriffen in Allgemeinanästhesie soll Folgendes kontrolliert werden

  • Elektrolyte, pH 
  • Kontrolle Atemaktivität: kann Patient metabolische Azidose kompensieren (Pat. ist auf leichte Hyperventilation angewiesen zur Korrektur seiner metab. Azidose!)? Opiatüberhang und Restrelaxation vermeiden! Beginnendes Lungenoedem bei Flüssigkeitsbedarf/-Gabe?
  • Absprache der nächsten Dialyse – Eventuell früher bei nicht kontrollierbarer Hyperkaliämie, Hypervolämie, Azidose
Heparingabe zur Dialyse notwendig – Nachblutungsgefahr!
Falls Patient hämodynamisch instabil: Hämofiltration auf Intensivstation (ohne Heparingabe – Zitrat-Hämofiltration)

Problem der Hyperkaliämie

  • Arrhythmiegefahr bei Dialysepatienten meist erst bei 6-6,5mmol/l
  • Verstärkt durch: Azidose (Cave: ausreichend ventilieren, allenfalls Gabe von NaBic), Betablockade, NSAR, Heparin!

Massnahmen bei Hyperkaliämie

Massnahmen Wirkeintritt Wirkdauer
10ml Calcium-Gluconat 10% = 1 Amp. langsam i.v. sofort 30 Minuten (nur Rhythmus-stabilisierung)
Ventolin-Inhalation 40Trpf. (2ml/10mg) od. 250μg langsam i.v. 5 Min. 2-4 Std.
200ml Glc 20% mit 20IE Actrapid über 20 Min. iv 30 Min. 4-6 Std.
Resonium 30g in 150-250ml Wasser/Glc 10% als Einlauf od. 15g in 20ml Wasser + Sirup po 3-4x/d 1 Std. 4-6 Std.
Hämodialyse sofort 2 Tage

Links

Therapie bei Hyperkaliämie

Quellen

  • Craig R.G., BJA 2008; Recent developments in the perioperative management of adult patients with chronic kidney disease;  101(3):296-310
  • Palevsky P.M., Best Pract Res Clin Anaesthesiol 2004; Perioperative management of patients with chronic kidney disease or ESRD; 18(1):129-144
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
KD Dr. med. Jackie Benz
Oberärztin Anästhesie