Hyper- und Hypokaliämie
Allgemeines
- Insbesondere akute Veränderungen der Kalium-Konzentration können zu lebensbedrohlichen Veränderungen der Erregbarkeit mit Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern führen!
- Bei chronischen Konzentrationsveränderungen findet eine intrazelluläre Anpassung statt
Hyperkaliämie
Eine akute Hyperkaliämie ist ein lebensbedrohlicher Zustand
Schweregrade (Einteilung nach Labor)
- Leichte Hyperkaliämie = Serumkalium 5,5–5,9 mmol/L
- Mittelschwere Hyperkaliämie = Serumkalium 6,0–6,4 mmol/L
- Schwere Hyperkaliämie = Serumkalium ≥6,5 mmol/L
Therapie
Calcium-Gluconat 10%
- 10ml langsam i.v.
- Membranstabilisierende Wirkung (Kardioprotektiv)
- Funktioneller Kalium-Antagonist
- Verhindert die akuten elektrischen Folgen am Myokard
- Wirkt nicht Kalzium-Senkend
- Wirkunseintritt: 1-3 Minuten
- Wirkungsdauer: 30- (60) Minuten
Insulin in Glucose
- 20 Einheiten Insulin in 200ml Glucose 20% über 20 Minuten i.v.
- Schleust Kalium ins Zellinnere ein (Schift)
- Wirkungseintritt: 15 Minuten
- Wirkungsmaximum nach 30-60 Minuten
- Wirkungsdauer: 2-6 Stunden
- Bei Niereninsuffizienz kann Wirkung des Insulins aufgrund des Verzögerten Abbaus massiv verlängert sein
Salbutamol = Ventolin®
- Inhalativ 40 Tropfen (2ml=10mg)
- Verstärkt die Kaliumsenkende Wirkung des Insulins um 50%
- Die alleinige Gabe von Salbutamol hingegen funktioniert nur bedingt
- Wirkungseintritt: 15-30 Minuten
- Wirkungsdauer 2-4 Stunden
Furosemid = Lasix®
- 20-40mg intravenös
- Schleifendiuretikum fördert Kaliumausscheidung in der Niere
- Wirkungseintritt: 15-30 Minuten
- Wirkdauer ca. 6h
Natriumpolystyrolsulfonat = Resonium®
- Oral 15 Gramm 3-4x/Tag
- Rectal 30 Gramm 1-2x/Tag
- Kationentauscher im Darmlumen
- Als Kunstharz tauscht es im Darm Natrium gegen Kalium-Ionen aus und wird im Stuhl ausgeschieden, sobald es mit Kalium beladen ist
- Wirkungseintritt nach Stunden
- Wirkdauer einige Stunden
- Kontroindikationen: Hypernatriämie
Hämodialyse und HLM
Bei einer schweren Hyperkaliämie kann in einem ersten Schritt Zeit gewonnen werden durch die Kalium-Verschiebung nach intrazellulär (Kardioprotektion), um im nächsten Schritt die Elimination des überschüssigen Kaliums voranzutreiben
- Erniedrigtes Ruhepotential = erhöhte Erregbarkeit
- Überspitzte T-Welle
- Verschinden der P-Welle
- QRS-Verbreiterung
- ST-Streckenveränderungen: ST-Senkung, ST-Verschmelzungen (Sinuswelle) bis Asystolie
Symptome (Hyperkaliämie)
- Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein
- Herzrhythmusstörungen
- Muskelschwäche, Muskelzuckungen, gesteigerte Muskeleigenreflexe
- Parästhesien, Langfristig Paresen (durch gestörte Repolarisation)
Ursachen
- Renal: Akutes Nierenversagen, chronische Niereninsuffizienz
- Endokrin: Hypocortisolismus, Hypoaldosteronismus, Insulinmangel
- Medikamente: AT2-Antagonisten, ACE-Hemmer, Aldosteronantagonisten, Triamteren,
- Amilorid, Cyclosporin A, Succinylcholin, NSAID, Cotrimoxazol, Digitalisglykoside, Lithium, Heparin, Kalium-sparende Diuretika etc.
- Säure-Basen-Haushalt (Azidose)
- Kaliumhaltige Infusionslösungen
- GI-Trakt: Übermässige Zufuhr (z.B. Bananen und Trockenfrüchte)
- Erhöhte Kaliumfreisetzung: Verbrennung, Trauma, Rhabdomyolyse, Hämolyse, Tumorlyse-Syndrom
- Massentransfusionen bzw. Transfusion inadäquat gelagerter Erythrozytenkonzentrate
- Coma diabeticum
Pseudohyperkaliämie
CAVE: eine unerwartet aufgetretene Hyperkaliämie sollte stets nochmals kontrolliert werden, da bei der Blutentnahme eine zu lange Stauung oder eine zu dünne Entnahmenadel und beim Transport der Blutprobe eine mechanisch bedingte Hämolyse zur Kalium-Freisetzung führen kann
Hypokaliämie
Schweregrad (Einteilung nach Labor)
- Serumkalium: 3–3,5 mmol/L = leichte Hypokaliämie
- Serumkalium 2,5–3 mmol/L = mittelschwere Hypokaliämie
- Serumkalium <2,5 mmol/L = schwere Hypokaliämie
Therapie hypokaliämie
- Ein Kalium-Ersatz ist nur bei Risikopatienten (KHK, vorbestehende Arrhythmien, Digitalis-Therapie) oder bei Hochrisiko-Operationen (Herzchirurgie, Thorax-Eingriffe, grosse Gefässchirurgie) indiziert
- Sonderfall: bei einem Kalium-Shift intrazellulär, z.B. unter Tokolyse oder bei Sympathikotonus (z.B. Schockraumpatient) ist keine Substitution indiziert
Leicht
- Kaliumchlorid per oral: Vorteilhaft bei Alkalose (wirkt azidotisch)
- Kaliumcitrat per oral: Vorteilhaft bei Azidose (wirkt alkalisierend)
Mittelschwer und schwer
- Kaliumchlorid 15% intravenös (10ml = 20 mmol) in 1000ml RF
- 2 gr Magnesium intravenös zusätzlich bei unzureichendem Anstieg der Kalium-Konzentration (Na+/K+-ATPase arbeitet Magnesiumabhängig)
Kalium ist venentoxisch und kann Herzrhythmusstörungen auslösen, deshalb bei intravenöser Applikation stets langsam und verdünnt verabreichen!
Ursachen
- Gastrointestinal: Erbrechen, Diarrhö (auch abführende Massnahmen vor medizinischen Eingriffen), Laxantien
- Kaliumverluste Renal Endokrin: Hyperaldosteronismus, Hypercortisolismus
- Medikamentös: Diuretika (exklusiv kaliumsparende Diuretika), Glucocorticoide, Clindamycin, Aminoglykoside, Azol-Antimykotika und Amphotericin B
- Renal tubuläre Azidose (Typen I und II)
- Schwitzen: die Kaliumkonzentration im Schweiß ist doppelt so hoch wie im Serum.
- Geringe Zufuhr mit der Nahrung: z.B. bei Essstörung, Fehlernährung und Mangelernährung
- Umverteilung: Alkalose, Insulintherapie, Katecholamine, Hypomagnesiämie
Symptome
- Müdigkeit
- Herzrhythmusstörungen
- Muskelschwäche, verminderte Muskeleigenreflexe, Paresen
- Obstipation
- Polyurie
- Digitalis-Unverträglichkeit
- Erhöhtes Ruhepotential = erniedrigte Erregbarkeit
- Abflachung der T-Welle
- ST-Senkung und andere ST-Streckenveränderungen
- Betonte U-Welle, evtl. TU-Verschmelzungswelle
- Vermehrte Extrasystolen und Herzrhythmusstörungen (insb. bei Digitalisglykosid-Medikation)
- Selten: QT-Zeit verlängert
Autor
- Dr. med. Gabriela Rothlin, Oberärztin Anästhesie