Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)
Achtung: SOP OSAS
Ab sofort steht unter Patientenmanagement ein SOP zum Vorgehen bei Patienten mit OSAS zur Verfügung.
22. November 2023
Dr. med. Michael Graf
Co-Chefarzt Anästhesie

Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)

Flussdiagramm OSAS

Allgemeines

  • Die Prävalenz des OSAS hat in den letzten Jahren stark zugenommen [1-3] 
  • Sie wird vermutlich, einhergehend mit der Zunahme von stark adipösen Patienten, auch in den kommenden Jahren ansteigen [2,4,5]
  • Das Vorliegen eines OSAS führt zu einer erhöhten perioperativen Morbidität
  • Aus diesem Grund ist ein frühzeitiges Erkennen und ggf. der Beginn einer präoperativen Behandlung notwendig
  • Es wird davon ausgegangen, dass bei ca. 50% der Patienten mit OSAS eine Diagnosestellung noch nicht erfolgt ist
  • Da unsere postoperativen Überwachungskapazitäten eingeschränkt sind, ist eine gute Risikoabschätzung in der präoperativen Anästhesie-Sprechstunde und ggf. eine weitere schlafmedizinische Abklärung vor Durchführung einer elektiven OP notwendig [6-8]
  • Da OSAS- Patienten oft sensibler auf Opiate reagieren, sollen diese, wenn möglich vermieden werden, z.B. durch Regionalverfahren
  • Insbesondere im Augenspital sollten diese Patienten z.B. bei Tropfanästhesien keine begleitenden Opiate erhalten, so dass diese auch weiterhin problemlos ambulant geführt werden können

Schweregrad OSAS

Schweregrad AHI
Leicht 5-14
Mittel 15-30
Schwer > 30

AHI = Gesamtzahl der Apnoen und Hypopnoen pro Gesamtschlafdauer

Vorgehen bei bestätigtem OSAS

Anästhesie-Sprechstunde

  • Abklären der Schwere des vorliegenden OSAS mittels Vorbefunden und ggf. Erheben des STOP BANG-Scores
  • Keine weiteren Massnahmen bei Diagnose eines leichten OSAS
  • Bei vorbestehender CPAP-Therapie den Patienten Anweisen das Gerät beim stationären Eintritt mitzubringen
  • Postoperativ ist keine Überwachung im AWR-Nacht notwendig
  • Bei schwerem OSAS bzw. Non-Compliance für eine empfohlene CPAP-Therapie wird der Patient darauf hingewiesen, für den Spitalaufenthalt sei eine Therapieadhärenz perioperativ notwendig
  • Elektive Patienten welche ihr CPAP Gerät nicht mitbringen, werden verschoben, sofern es bis zur geplanten postoperativen Verlegung nicht organisiert werden kann
Generell sollten diagnostizierte OSAS- Patienten präoperativ eine Kontrolluntersuchung und Therapieoptimierung bei ihrem betreuenden Pneumologen vereinbaren (max. 6 Monate Kontrollintervall)

Perioperativ

  • Für die Vitalzeichenüberwachung gilt die interne Verfahrensanweisung «Postoperative Überwachung im AWR»

 Basisprinzipien

Lagerung Oberkörper hoch oder Seitenlage
Suffiziente Analgesie
Ausgeglichenes Volumen-Management (Euvolämie anstreben)

Lagerung

 

  • Oberkörperhochlagerung ist die zu bevorzugende Lagerung von Patienten mit OSAS
  • Hieraus ergibt sich eine Verbesserung des AHI und der SpO2[9]
  • Falls diese vom Patienten nicht toleriert wird oder postoperativ nicht möglich ist, sollte eine Seitenlage durchgeführt werden, hierbei wird das passive Kollabieren des Pharynx vermindert [10]

Suffiziente Analgesie

  • Opioid-sparende, multimodale Analgesie wann immer möglich mit dem Ziel die postoperative Opiatgabe zu «verhindern» bzw. zu minimieren
  • Bei Patienten mit OSAS besteht unter Umständen ein erhöhter Analgetikabedarf bei gleichzeitig erhöhter Sensibilität für die atemdepressive Wirkung von Opiaten [11], dies führt in den ersten 72h postoperativ zu einem erhöhten Apnoe-Risiko [12,13]
Nach intraoperativer epiduraler Gabe von hydrophilen Opiaten (z.B. Morphin > 2mg oder Hydromorphon) müssen OSAS-Patienten für 24h im AWR/ZIM überwacht werden [14,15]

Volumen-Management

 

  • Perioperative Flachlagerung, das Anlegen von Kompressionsstrümpfen und eine ggf. vorliegende Hypervolämie im Rahmen der Infusionstherapie können zu einem rostralen Fluid-Shift führen, dieser wiederum begünstigt den postoperativen Kollaps der Atemwege im Rahmen des OSAS [16,17]
  • Ziel sollte aus diesem Grund eine restriktive bzw. «goal-directed» Flüssigkeitstherapie sein.

Postoperative CPAP-Therapie

 

  • Eine bereits präoperativ etablierte CPAP-Therapie sollte postoperativ mit dem patienteneigenen Gerät weitergeführt werden
  • Hierbei sollten die patienteneigenen Einstellungen als Basis-Verordnung übernommen werden
  • Ggf. ist aufgrund des postoperativen Settings jedoch eine Anpassung der Parameter sinnvoll
  • Bei Patienten mit Empfehlung für eine CPAP-Therapie die aufgrund Non-Compliance nicht durchgeführt wird sollte postoperativ bei Vorliegen von Hypoxämie, Verlegung der oberen Atemwege, Apnoe oder Hypoventilation der Versuch einer CPAP-/oder NIV-Therapie erfolgen
  • Hierfür stehen im AWR zwei RESMED Astral 150 Geräte zur Verfügung (Standardverordnungen im LUKIS hinterlegt)
Die Durchführung einer CPAP-Therapie ist auch nach Chirurgie im oberen Gastrointestinaltrakt möglich, es konnte bisher kein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz aufgrund postoperativer CPAP-Therapie nach bariatrischer Chirurgie gezeigt werden [18]

Vorgehen bei Verdacht auf OSAS

Anästhesie-Sprechstunde

 

  • Erheben des STOP BANG-Scores bei Patienten mit V.a. OSAS
  • Weiters Vorgehen gemäss Risikoeinschätzung STOP BANG
Stop Bang Score Vorgehen Prä-OP Vorgehen Post-OP
0-2 Keine Massnahmen Keine Massnahmen
3-5 Eintrag V.a. OSAS
Opiatarme/- freie Narkose
AWR-Verlängert (4h)
Verlegung mit O4-6 l/min
6-8 Zuweisung Pneumologie
OP wo möglich verschieben
Mit CPAP: Verlegung nach RDAT
Ohne CPAP: Überwachungsplatz

Niedriges Risiko (0-2 Punkte)

  • Keine weiteren Massnahmen
  • Durchführen der OP wie geplant, kein Vermerk «V.a. OSAS» in der Prämedikation oder der Diagnoseliste

Mittleres Risiko (3-5 Punkte)

  • Vermerk V.a. OSAS in Diagnoseliste einfügen
  • Durchführung der OP mit entsprechender Planung des perioperativen Procederes
– OP am Morgen an erster Stelle planen (verlängerte Überwachung im AWR möglich)
– Falls möglich opiatfreie Narkoseführung bzw. Einsatz kurzwirksamer Opiate wie Remifentanil oder Alfentanil
– Keine Gabe von langwirksamen Opiaten im AWR
– Verlängerte Überwachung im AWR (~4h)
– Verlegung auf die Abteilung mit 4-6l/min O2 und 1-2 stündlicher Überwachung inklusive SpO2 Messung bis zum nächsten Morgen

Hohes Risiko (6-8 Punkte)

Patienten mit zusätzlicher signifikanter oder nicht eingestellter systemischer Erkrankung oder pulmonalen Erkrankungen mit Störung der Ventilation und/oder des Gasaustausches

  • Wann immer möglich Verschieben des geplanten elektiven Eingriffs
  • Schlafmedizinische Abklärung und Etablieren einer entsprechenden Therapie
  • Spezielle hochdringliche Pneumologietermine werden vorgehalten
  • OP-Planung frühestens 2 Wochen nach erfolgreich etablierter Therapie

Patienten ohne zusätzliche signifikante oder nicht eingestellte systemische Erkrankung oder pulmonalen Erkrankungen mit Störung der Ventilation und/oder des Gasaustausches
Massnahmen nach Risiko des geplanten Eingriffs

Hohes perioperatives Risiko
“major invasive surgery” mit erwarteter kardiopulmonaler Beeinträchtigung oder hohem postoperativem Opiatbedarf. Procedere wie bei vorgenannter Patienten-Gruppe
Geringes perioperatives Risiko
z.B. Kleineingriffe, Möglichkeit der opiatfreien Narkoseführung, etc.
Entscheidung “von Fall zu Fall” nach Rücksprache mit dem  Operateur und je nach Dringlichkeit des Eingriffs
Postoperativ zwingend Überwachung im AWR-Nacht oder auf IMC/IPS
Nach notfallmässigen oder nicht verschiebbaren Eingriffen muss bei Patienten aus dieser Gruppe zwingend die postoperative Überwachung im AWR-Nacht erfolgen.
Bei fehlender AWR-Nacht-Kapazität muss die Überwachung auf IMC/IPS erfolgen.

Perioperativ

  • Siehe Vorgehen bei bestätigtem OSAS

Postoperative CPAP-Therapie

  • Aufgrund begrenzter Datenlage ist aktuell unklar, ob Patienten mit nicht diagnostiziertem oder nicht mit CPAP vorbehandeltem OSAS von einer postoperativen Anwendung von CPAP profitieren [20]
  • Beim Auftreten von Hypoventilation, Hypoxie, einer Obstruktion der oberen Atemwege oder Apnoe-Episoden kann bei vorhandener Compliance des Patienten die Anwendung von CPAP (RESMED Astral 150) im AWR erfolgen

STOP BANG Score

Snoring Lautes Schnarchen
Tiredness Tagesmüdigkeit/Erschöpfung
Observed Apnea Vom Partner beobachtete Apnoen beim Schlafen
Pressure Arterielle Hypertonie
BMI > 35kg/m2
Age > 50 Jahre
Neck Circumference > 43cm bei Männern
> 40cm bei Frauen
Gender Männliches Geschlecht
0-2 Fragen mit «JA» beantwortet Niedriges OSAS-Risiko
3-5 Fragen mit «JA» beantwortet Mittleres OSAS-Risiko
6-8 Fragen mit «JA» beantwortet Hohes OSAS Risiko

Überwachungsdauer AWR (Entlassungskriterien)

  • Für Patienten mit V.a. Vorliegen eines OSAS gelten dieselben Kriterien wie bei gesicherter Diagnose

Niedriges Risiko (0-2 Punkte)

  • Patienten mit niedrigem Risiko für das Vorliegen eines OSAS bzw. bekanntem OSAS unter etablierter CPAP-Therapie können nach unauffälliger Überwachung ohne Auftreten respiratorischer Komplikationen sowie fehlenden Ausschlusskriterien gemäss RDAT auf Normalstation oder nach Hause austreten [1,19]

Mittleres Risiko (3-5 Punkte)

  • Patienten mit mittlerem Risiko für das Vorliegen eines OSAS können nach opiatfreier Narkose bzw. bei Einsatz kurzwirksamer Opiate und unauffälliger Überwachung (~4h) im AWR mit Sauerstofftherapie auf Normalstation verlegt werden

Hohes Risiko (6-8 Punkte)

  • Bei hohem Risiko für das Vorliegen eines OSAS bzw. bestehenden Ausschlusskriterien für eine Verlegung gemäss RDAT verbleibt der Patient bis zum Folgetag im AWR- Nacht. Bei unauffälliger Überwachung erfolgt die Verlegung auf Normalstation um 5:00 Uhr morgens ohne nochmalige Visite

Ausschlusskriterien Verlegung

Respiratorisch

  • Wiederholte respiratorische Komplikationen (mehr als eine der folgenden innerhalb 30 Minuten)
SpO2-Abfall <90% trotz Sauerstoffvorlage
Bradypnoe <6/min
Apnoe-Episoden >10 Sekunden

Weitere Ausschlusskriterien

Hohe Schmerz- oder Sedations-Scores
Schweres OSAS oder der Verdacht hierauf gemäss Diagnose oder präoperativem Screening (STOP BANG-Score)
Obesitas-Hypoventilations-Syndrom oder Kombination aus OSAS und COPD
Grosse invasive chirurgische Eingriffe mit Überwachungspflicht
Signifikante Komorbiditäten (z.B. dekompensierte Herzinsuffizienz, relevante Arrhythmien, nicht eingestellte Hypertonie, schwere PAHT, etc.)
Medikamentengabe mit Auswirkung auf die OSAS-Symptomatik (insbesondere neuraxiale Opioid-Gabe)
Vorbestehende Non-Compliance bzgl. einer empfohlenen CPAP-Therapie

Literaturverzeichnis

  1. 1.) Seet E, Han TL, Chung F. Perioperative Clinical Pathways to Manage Sleep- Disordered Breathing. Sleep Med Clin 2013; 8:105.
  2. 2.) Peppard PE, Young T, Barnet JH, et al. Increased prevalence of sleep- disordered breathing in adults. Am J Epidemiol 2013; 177:1006.
  3. 3.) Benjafield AV, Ayas NT, Eastwood PR, et al. Estimation of the global prevalence and burden of obstructive sleep apnoea: a literature-based analysis. Lancet Respir Med 2019; 7:687.
  4. 4.) Flegal KM, Carroll MD, Ogden CL, Johnson CL. Prevalence and trends in obesity among US adults, 1999-2000. JAMA 2002; 288:1723.
  5. 5.) Memtsoudis SG, Besculides MC, Mazumdar M. A rude awakening–the perioperative sleep apnea epidemic. N Engl J Med 2013; 368:2352.
  6. 6.) Singh M, Liao P, Kobah S, et al. Proportion of surgical patients with undiagnosed obstructive sleep apnoea. Br J Anaesth 2013; 110:629.
  7. 7.) Lockhart EM, Willingham MD, Abdallah AB, et al. Obstructive sleep apnea screening and postoperative mortality in a large surgical cohort. Sleep Med 2013; 14:407.
  8. 8.) Chan MTV, Wang CY, Seet E, et al. Association of Unrecognized Obstructive Sleep Apnea With Postoperative Cardiovascular Events in Patients Undergoing Major Noncardiac Surgery. JAMA 2019; 321:1788.
  9. 9.) Chung F, Liao P, Yegneswaran B, et al. Postoperative changes in sleep- disordered breathing and sleep architecture in patients with obstructive sleep apnea. Anesthesiology 2014; 120:287.
  10. 10.) Jokic R, Klimaszewski A, Crossley M, et al. Positional treatment vs continuous positive airway pressure in patients with positional obstructive sleep apnea syndrome. Chest1999; 115:771.
  11. 11.) Cozowicz C, Chung F, Doufas AG, et al. Opioids for Acute Pain Management in PatientsWith Obstructive Sleep Apnea: A Systematic Review. Anesth Analg 2018; 127:988.
  12. 12.) Bolden N, Smith CE, Auckley D, et al. Perioperative complications during use of an obstructive sleep apnea protocol following surgery and anesthesia. Anesth Analg 2007; 105:1869.
  13. 13.) Chung F, Liao P, Elsaid H, et al. Factors associated with postoperative exacerbation ofsleep-disordered breathing. Anesthesiology 2014; 120:299.
  14. 14.) De Leon-Casasola OA, Lema MJ. Postoperative epidural opioid analgesia: what are the choices? Anesth Analg 1996; 83:867.
  15. 15.) Bujedo BM, Santos SG, Azpiazu AU. A review of epidural and intrathecal opioids usedthe management of postoperative pain. J Opioid Manag 2012; 8:177.
  16. 16.) Lam T, Singh M, Yadollahi A, Chung F. Is Perioperative Fluid and Salt Balance a Contributing Factor in Postoperative Worsening of Obstructive Sleep Apnea? Anesth Analg 2016; 122:1335.
  17. 17.) Yadollahi A, Gabriel JM, White LH, et al. A randomized, double crossover study to investigate the influence of saline infusion on sleep apnea severity in men. Sleep 2014; 7:1699.
  18. 18.) Tong S, Gower J, Morgan A, et al. Noninvasive positive pressure ventilation in the immediate post-bariatric surgery care of patients with obstructive sleep apnea: a systeatic review. Surg Obes Relat Dis 2017; 13:1227.
  19. 19.) Gali B, Whalen FX, Schroeder DR, et al. Identification of patients at risk for postoperative respiratory complications using a preoperative obstructive sleep apnea screeningtool and postanesthesia care assessment. Anesthesiology 2009; 110:869.
  20. 20.) Liao P, Luo Q, Elsaid H, et al. Perioperative auto-titrated continuous positive airway pressure treatment in surgical patients with obstructive sleep apnea: a randomized controlledtrial. Anesthesiology 2013; 119:837

Autoren

  • Dr. med. M. Minck
  • Luzia Vetter
  • Dr. med. M. Graf
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
Dr. med. Michael Graf
Co-Chefarzt Anästhesie