Diabetes Mellitus
Allgemeines
- Typ 1 & 2 Diabetiker haben ein erhöhtes perioperatives Risiko im Vergleich zu Nichtdiabetikern
- Der absolute bzw. relative Insulinmangel und die Insulinresistenz werden durch den operativen Eingriff verstärkt
- Die perioperative Kontrolle des Blutzuckerspiegels ist von entscheidender Bedeutung für die Minimierung des Risikos
- Die Normoglykämie verbessert die Wundheilung, erniedrigt die Mortalität und verkürzt den Spitalaufenthalt
- Die Regionalanästhesie führt zu einer besser erhaltenen Glucosetoleranz
Erhöhtes Aspirationsrisiko bei Vorliegen einer Gastroparese und GLP1 Agonisten
- Diabetiker brauchen 100 – 200 g Glucose / Tag unabhängig von Ihren BZ– Werten
- Dieser Bedarf sollte mit 5-10 g Glucose / Std i.v. gedeckt werden, es sei denn der Eingriff ist sehr kurz und der Patient kann p.o. ernährt werden
Präoperatives Management
Labor
- BZ-Tagesprofil: Ziel vor grossen Eingriffen ist „near-normoglycemia“ (d.h. nüchtern-BZ 4 – 7 mmol/l)
- HbA1c : Ziel < 8%, sonst Information an Operateur
Intraoperativ BZ < 7.8 – 10 mmol/l anstreben
Insulintherapie erst ab 10 mmol/l
Tag vor der Operation
|
Morgendosis |
Abenddosis |
Orale Antidiabetika (OAD) |
✅ |
✅ |
Metformin |
❌ |
❌ |
SGLT-2- Hemmer |
❌ |
❌ |
GLP-1-Rezeptoren-Agonisten |
✅ |
✅ |
Basisinsulin |
✅
|
Dosis um 20% reduzieren |
Bolusinsulin |
✅ |
✅ |
Ultralangwirksames Insulin |
Rücksprache Endokrinologie |
Rücksprache Endokrinologie |
Operationstag
Orale Antidiabetika (OAD) |
❌ |
Metformin |
❌ |
SGLT-2-Hemmer |
❌ |
GLP-1-Rezeptoren-Agonisten |
❌ |
Basisinsulin |
Dosis um 20% reduzieren |
Bolusinsulin |
Nachspritzschema |
Ultralangwirksames Insulin |
Rücksprache Endokrinologie |
Orale Antidiabetika
Sulfonylharnstoffe
Gliclazid (Diamicron®), Glibornurid (Glutril®), Glimepirid (Amaryl®), Glibenclamid (Daonil®, Melix®, Glibenorm®)
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
- Sulfonylharnstoffe tragen die Gefahr der verzögerten Hypoglykämie mit sich
Glykoside Hydrolase-Hemmer
Acarbose (Glucobay®)
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
Glitazon
Pioglitazon (Actos®)
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
Biguanid
Metformin (Metfin®, Metformin Mepha®, Glucophage®)
- Gefahr einer perioperativen Laktatazidose
- Möglichst am Tag vor dem Eingriff absetzen
- BZ-Kontrolle und Nachspritzschema bei Bedarf
Gliptine (DPP4-Inhibitoren)
Linagliptin (Trajenta®), Sitagliptin (Januvia®, Xelevia®), Alogliptin (Vipidia®), Saxagliptin (Onglyza®), Vildagliptin (Galvus®)
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
Glinide= Meglitinide
Repaglinid (NovoNorm®), Nateglinid (Starlix®)
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
Gliflozine (SGLT2-Hemmer)
Canagliflozin (Invokana®), Dapagliflozin (Forxiga®), Empagliflozin (Jardiance®)
- Perioperativ erhebliche Gefahr von schweren Ketoazidosen (trotz zum Teil nur mässig erhöhten Blutzuckerwerten)
- 72h vor dem Eingriff absetzen
Inkretin Analoga (GLP-1 Rezeptor-Agonisten)
Subcutan 1x/Woche |
Subcutan 1x/d |
Peroral |
Semaglutid (Ozempic®, Wegovy®) |
Liraglutid (Victoza®, Saxenda®) |
Semaglutid (Rybelsus®) |
Exanatid (Byetta®, Bydureon®) |
Insulin Deglutec/Liraglutid (Xultophy®) |
|
Dulaglutid (Trulicity®) |
|
|
- Glucagon-like-peptide-1 Rezeptor-Agonist
- Verabreichung bis am Tag vor dem Eingriff
-
GLP-1 verzögert die Magenentleerung und wird u.a. auch als Therapie zur Gewichtsreduktion eingesetzt
-
Patienten unter GLP-1 können trotz Einhalten der präoperativen Nüchternzeiten einen stark erhöhten Mageninhalt aufweisen! Dies auch nach Absetzen der Medikation >10 Tage
Patienten unter GLP-1 werden auch elektiv als «mit erhöhter Aspirationsgefahr» (wie z.B. St.n. Sleeve-OP)
angesehen und mittels RSI intubiert
Somit keine Larynxmaske und LAS nur mit minimaler Sedation
Insuline
Lang wirksame Insuline
NPH-Insulin (Insulatard Glargine (Lantus® ) & Detemir (Levemir® )
- Reduktion der Dosis um 10 – 20 % (für Lantus betrifft dies die Dosis am Vorabend, für Levemir die Dosis am Morgen der OP)
- Zusätzlich Glucose 5% 2ml/kg/Std am OP Tag um den Glucose-Bedarf zu decken
Ultralangwirksame Insuline
Degludec (Tresiba®, Xultophy®, Ryzodeg®)
- CAVE: Wirkung Teilweise bis zu 42 h
- Tresiba: Dosisreduktion um 30% 3 Tage Präoperativ
Mischinsuline (mittellang- und kurzwirkend kombiniert)
(Novomix®, Humalog Mix ®)
- 2/3 der Morgendosis sollte durch ein langwirkendes Insulin (bevorzugt Levemir) ersetzt werden. Zusätzlich Glucose 5% 2ml/kg/Std
Insulinpumpen
- Nur mit der Basalrate weiterlaufen lassen bei kleinen und mittelgrossen Eingriffen
- Bei grossen Operationen (instabile Hämodynamik) müssen diese Pumpen am OP-Tag gestoppt werden
- Ersatz durch einen Actrapid-Perfusor
- Zusätzlich Glucose 5% 2ml/kg/Std.
Peri – & postoperatives Management
- BZ-Ziel: „near-normoglycemia“ (d.h. BZ < 7mmol/l, mindestens < 10mmol/l beim Diabetiker)
- Bei Bedarf sollte Actrapid intraoperativ mittels Perfusorspritze verabreicht werden
- Gleichzeitig sollte bei allen Diabetikern am Actrapid-Perfusor eine Glucoseinfusion infundiert werden (5-10g Glucose /h, z.B. 100 ml/h G 5%)
- Bei SHT allenfalls auf G20% oder G40% wechseln damit der freie Wasser-Anteil klein gehalten wird
Der Blutzuckerwert muss stündlich kontrolliert und die Insulin-Dosierung entsprechend angepasst werden
- Postoperatives Nachspritzschema bei Patienten unter oralen Antidiabetika
- Präoperativ insulinpflichtige Patienten brauchen immer ein Basis-Bolus- System!
- Im Rahmen des Operationsstresses ist auch bei vielen Typ 2 Diabetikern unter Diät oder oralen Antidiabetika zumindest vorübergehend ein Basis/Bolus-System nötig
- Wichtig ist eine möglichst kurze Hyperglykämie-Zeit postoperativ
- Verlegung vom AWR : Das Basis/Bolus-Schema kann auf der Abteilung je nach peroraler Nahrungsaufnahme weitergeführt werden
- Grundsätzlich gilt, dass bei einem täglichen Insulinbedarf von weniger als 20 E wieder auf orale Antidiabetika umgestellt werden kann
- Dosisanpassung bzw. Vorschlag für Dimissio kann durch die Diabetologie LUKS vorgenommen werden
Referenzen
- Prof. Dr. med. Ch. Henzen, Chefarzt Medizin, Endokrinologie LUKS
- Dr. Stefan Fischli, Co-Chefarzt Endokrinologie / Diabetologie LUKS
- Blutglukoseziele in der operativen Intensivmedizin, Roth et al., Deutsches Ärzteblatt 2021 Jg118 Heft 38, 629-635