Regionalanästhesie und Antikoagulantien

Regionalanästhesie und Antikoagulantien

Allgemein

Oberflächliche Nervenblockaden

Für die Punktion sowie Kathetereinlage und -entfernung bei oberflächlichen Nervenblockaden müssen keine Zeitinterwalle bezüglich Antikoagulantien eingehalten werden
Kopf + Hals Obere Extremität Thorax + Rücken Abdomen + Becken Untere Extremität
Occiptialis Interskalenus Intercostal Illioinguinal Femoralis

Subtenon

Supraclavikulär  Serratus anterior Iliohypogastricus Adductor-Kanal
Plexus cervicalis superficialis Plexus axillaris Erector spinae plane  TAP-Block Ischiadicus (proximal und distal)
Carotis sheat-Block Periphere Armnerven Pecto-serratus plane Rektusscheiden Fascia iliaca plane 
    Intercostal-interpectoral plane Genitofemoralis Nervus cutaneus femoris lateralis
      Pudendus  Peripher Unterschenkelnerven

 Neuraxiale und Tiefe Nervenblockaden

Kopf + Hals Obere Extremität Thorax + Rücken Abdomen + Becken Untere Extremität
Ganglion stellatum Infraclaviculär Epidural Plexus lumbalis Transgluteal Ischiadicus
Plexus cervicalis profundus   Paravertebral Quadratus lumborum  
    Spinal Psoas-Kompartment  

Epidurale Hämatome

  • Die Durchführung von rückenmarksnahen Regionalanästhesien bei gleichzeitiger Gabe von Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern erhöht das Risiko eines spinalen epiduralen Hämatoms
  • Die Inzidenz nach Epiduralanästhesien wird mittlerweile auf 1: 2700 – 1: 18.000, nach Spinalanästhesien auf 1: 40.800 bis 1:156.000 geschätzt
  • Die höchste Komplikationsrate wird bei weiblichen Patienten in der Orthopädie sowie in der Gefäßchirurgie beobachtet, während junge Frauen in der Geburtshilfe mit 1:100.000 bis 1: 168.000 das geringste Risiko haben

Risikofaktoren für spinale epidurale Hämatome

  • Weibliches Geschlecht
  • Hohes Alter
  • Osteoporose
  • Niereninsuffizienz
  • Thromboseprophylaxe kombiniert mit ASS
  • Ankylosierende Spondylitis / M. Bechterew
  • Multiple Punktionen
  • Kathetereinlage und -entfernung
  • Fehlende Guidelines
  • Positive Gerinnungsanamnese (z.B. vermehrtes Nasenbluten, Hämatomneigung, verstärktes Nachbluten nach Schnittverletzung, OP, Zahnextraktion, Wundheilungsstörung, verstärkte Menstruationsblutung, positive Familienanamnese für Blutungsneigung)

Zeitintervalle

Empfohlene Zeitintervalle vor und nach neuraxialen- und tiefen Nervenblockaden bzw. Katheterentfernung
Bei Kombination von Antikoagulation und Antiplättchen-Therapie gilt es eine Punktion kritisch abzuwägen
Bei blutiger Punktion soll die Wiederaufnahme von DOAK erst nach 24h erfolgen

Direkte Xa-Antagonisten

Keine Kathetereinlage
Single shot gemäss Tabelle 
Rivaroxaban (Xarelto®) Labor Vor Punktion Nach Intervention
1x10mg / 2x 2.5mg Kein Labor nötig

 

24h/30h wenn CrCl < 30ml/min 6h
1x20mg / 2x15mg / 1x15mg wenn CrCl 15-50ml/min

< 30ng/ml
oder Anti-Xa < 0.1 U/ml

72h oder Labor
Labor bei CrCl <30ml/min
6h
  • Cave bei Revisionen!
  • Akkumulation bei Niereninsuffizienz
  • Monitoring mittels Rivaroxabanspiegel
  • RM-Nahe Punktion bei Rivaroxabanspiegel <30ng/ml möglich
  • SGAR-Richtlinien Rivaroxaban
Apixaban (Eliquis®) Labor Vor Punktion  Nach Intervention
2×2.5mg Kein Labor nötig 36h 6h
2×5-10mg/ 2×2.5mg (CrCl 15-30ml/min,>80Jahre,< 60kg)

< 30ng/ml
oder Anti-Xa < 0.1 U/ml

72h oder Labor
Labor bei CrCl <30ml/min

6h

  • Monitoring mittels Apixabanspiegel
  • RM-Nahe Punktion bei Apixabanspiegel <30ng/ml möglich
  • SGAR-Richtlinien Apixaban
Edoxaban (Lixiana®) Labor Vor Punktion  Nach Intervention
1x60mg/ 1x30mg (CrCl 15-50ml/min,< 60kg) < 30ng/ml
oder Anti-Xa < 0.1 U/ml
72h oder Labor
Labor bei CrCl <30ml/min
6h

Direkter IIa-Antagonist

Keine Kathetereinlage
Single shot gemäss Tabelle 
Dabigatran (Pradaxa®) Labor Vor Punktion  Nach Intervention
1x220mg/1x150mg (CrCl 30-50ml/min,> 75 Jahre)  Kein Labor nötig 48h  
2x150mg/ 2x110mg (CrCl 30-50ml/min,>75 Jahre)

< 30ng/ml
oder Thrombinzeit (TT) normal

72h oder Labor
Labor bei CrCl <50ml/min

24h

Vitamin-K-Antagonisten

Keine Kathetereinlage
Single shot gemäss Tabelle 
 Phenprocoumon (Marcoumar®) Labor Vor Punktion
  INR<1.5 7d
  • INR < 1,4 (entspricht ca. einem Quick von > 60%) für SSS und PDA
  • INR > 1,5 gilt als gefährlich für RA-Punktionen / Katheter-Entfernung

Niedermolekulares Heparin

Keine Kathetereinlage bei High dose (7500 IE) nur Single shot
Bei < 50 kg KG oder CrCl< 30 ml/min und 5000 IE –> Kathetereinlage nach Nutzen-/Risikoabwägung. Single shot gemäss Tabelle 
Bei Low dose Dalteparin Kathetereinlage und Single shot gemäss Tabelle 
Dalteparin (Fragmin®) Labor  Vor Punktion / Entfernung Katheter Nach Intervention

2500 IE sc 1x/d

Kein Labor nötig

12h

2h 
5000 IE sc 1x/d

Kein Labor falls:
>50 kg KG 
CrCl >30ml/min

12h


2h 

5000 IE sc 1x/d

< 50 kg KG 
CrCl <30ml/min:

Anti-Xa-Messung nach 12h

Anti-Xa  < 0.1 U/ml: Punktion möglich
Anti-Xa > 0.1 U/ml: Keine Punktion, erneute Messung in 6h

2h 

7500  IE sc 1x/d

Anti-Xa-Messung nach 24h

Anti-Xa  < 0.1 U/ml: Punktion möglich
Anti-Xa > 0.1 U/ml: Keine Punktion, erneute Messung in 6h

2h

Auch Patienten > 100 kg KG gelten mit 7500 IE sc 1x/d als therapeutisch (high dose) antikoaguliert
Falls Patienten mit einliegendem tiefen oder neuraxialem Nervenkather 7500 IE sc 1x/d oder mehr erhalten haben kann nach 12h Anti-Xa bestimmt werden und bei < 0.1 U/ml der Katheter gezogen werden. Bei Anti-Xa > 0.1 U/ml kein Ziehen und erneute Messung in 6h. Wiederaufnahme Fragmin nach 2h. 
 

 Unfraktioniertes Heparin

Keine Kathetereinlage bei High dose (> 10000 U/24h) nur Single shot gemäss Tabelle
Bei < 50 kg KG und < 10000 U/24h –> Kathetereinlage nach Nutzen-/Risikoabwägung. Single shot gemäss Tabelle 
Bei Low dose Heparin (< 10000 U/24h) Kathetereinlage und Single shot gemäss Tabelle 
Heparin (Liquemin®) Labor Vor Punktion / Entfernung Katheter Nach Intervention

<10000 U/24h intravenös + > 50 kg

 

Kein Labor 

4h
< 0.1 U/ml Punktion, sonst Messung nach 2h

1h

<10000 U/24h intravenös + < 50 kg

 

Anti-Xa nach 4h

< 0.1 U/ml Punktion
> 0.1 U/ml Messung nach 2h

1h

>10000 U/24h intravenös

Anti-Xa nach 6h

< 0.1 U/ml Punktion, sonst Messung nach 2h

6h

Falls Patienten mit einliegendem tiefen oder neuraxialem Nervenkather > 10000 U/24h intravenös erhalten haben kann 6h nach Heparin-Stop Anti-Xa bestimmt werden und bei < 0.1 U/ml der Katheter gezogen werden. Bei Anti-Xa > 0.1 U/ml kein Ziehen und erneute Messung in 2h. Wiederaufnahme Heparin nach 6h. 

Cyclooxygenase-Hemmer

Single shot und Kathetereinlage gemäss Tabelle 
 NSAR Labor Vor Punktion / Entfernung Katheter* Nach Punktion / Entfernung Katheter*
  Kein Labor nötig 0 0
Aspirin Labor Vor Punktion  Nach Punktion / Entfernung Katheter
<200mg/d Kein Labor nötig

0

Routine
>200mg/d Kein Labor nötig 3 Tage bei normalen Thormbozyten
7 Tage bei Thrombopenie

6h

Aspirin 100mg + Antikoagulanz Labor Vor Punktion Nach Punktion 
  Test Antikoagulanz ASS normal weiter +
Antikoagulanz-Intervall

ASS normal weiter +
Antikoagulanz-Intervall

Aspirin 100mg + Antiplättchen Labor Vor Punktion  Nach Punktion
  Kein Labor nötig ASS normal weiter +
Antiplättchen-Intervall

 

Kombination von NMH und ASS führt zu vermehrten Blutungskomplikationen PDA 1: 8500 und SSS: 1: 12’000

P2Y12-Inhibitoren (ADP-Antagonisten)

Keine Kathetereinlage, nur Single shot
Ticagrelor (Brilique®) Labor Vor Punktion Nach Intervention
  Kein Labor möglich

5d

24h
Clopidogrel (Plavix®) Labor Vor Punktion / Entfernung Katheter* Nach Intervention
75mg/d Kein Labor möglich

5-7d

0
300mg/d Kein Labor möglich 5-7d 2d
Cave: Absetzen von Plavix innerhalb von 12 Monate nach drug-eluting-stent ist mit bis zu 35% erhöhter Mortalität verbunden
Prasugrel (Efient®) Labor Vor Punktion / Entfernung Katheter* Nach Intervention
  Kein Labor möglich

7d

24h

 

Spezialfälle

 Fondraparinux (Arixtra ®)

von Willebrand – Faktoren Mangel

  • Autosomal-dominant vererbt bei 1-3% der Bevölkerung
  • PFA-Epinephrin und PFA-ADP erhöht, vWF-Ag Vidas und VW-Ristocetin-CoF
  • Therapie: Desmopressin / Minirin 0.3 mcg/kg KG iv (in 20% der Fälle nicht wirksam und Faktorengabe (Hämate & vWF) notwendig!)
  • Stets Rücksprache mit Hämatologie

Alternative Heilmittel

  • Ginko, Ginseng und Garlic (Knoblauch) wirken Tc-Aggregationshemmend

Kardiales Ereignis bei PDK

  • Mit der Gabe der Loading dose ASS+Clopidogrel soll sofort der PDK gezogen werden mit engmaschiger neurologischer Überwachung
  • Maximale Wirkung von Clopidogrel erst in 12-24h
  • Sind die Antiplättchen/Antikoagulations-Therapie schon wirksam, dann muss LMWH/UFH low dose mit entsprechender Pause sowie ASS low dose bzw. Pause und Bridging Clopidogrel z.B. mit kurzwirksamem Cangrelor mit 3h Pause durchgeführt werden
  • Die Laborwerte sollten beim Katheterentfernungszeitpunkt im Normbereich sein (INTERDISZIPLINÄRES VORGEHEN)

 Therapeutische Antikoagulation bei PDK

  • Neuroaxialer Katheter wenn möglich vor Beginn der therapeutischen Antikoagulation entfernen
  • Falls bereits mit einer therapeutischen Antikoagulation begonnen wurde siehe oben

Thrombozytenzahl

 

> 50’000 für Spinalanästhesie
> 80’000 für Periduralanästhesie

Quellen

  • Kietaibl S.: ESAIC/ESRA Guidelines) EJA 2022;39:100-132 (Diese Guidelines beinhalten Indikationen/Medikamentendosierungen verschiedener europäischer Länder mit unterschiedlichen Zulassungen. Dies führt z.T. zu Widersprüchen in den Tabellen und zu den Schweizer Richtlinien)
  • A. Godier: Reply to: regional anaesthesia in patients on antithrombotic drugs; European Journal of Anaesthesiology 40(12):p 959-960, December 2023.)

  • Gogarten W et al.Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thromboembolieprophylaxe / antithrombotische Medikation. Anästh Intensivmed 2007;48:S109-S124
  • Waurick K. et al.: Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thromboembolieprophylaxe / antithrombotische Medikation. Anästh Intensivmed 2014; 55: S464-492.
  • Volk T., Kubulus C.: New oral anticoagulants and neuraxial regional anesthesia. Curr Opin Anesthesiol 2015; 28: S605-609
  • Schweizerische Gesellschaft für Anästhesie und Reanimation (SGAR): Die Publikation erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der SGAR.

Legende

  • CrCl = Kreatinin-Clearance (ml/min)
  • d = Tag
  • h = Stunde
  • TT = Thrombinzeit (s)
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
KD Dr.med. Mattias Casutt
Oberarzt mbF Anästhesie