Fenstersectio

Fenstersectio

Allgemeines

  • Die Geburtserfahrung hat langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden einer Frau
  • Zwischen 6% und 28% der Frauen sind mit der Erfahrung ihrer Sectio unzufrieden
  • Frauen nach einer Sectio sind anfälliger für postnatale Depressionen, haben häufiger Schwierigkeiten beim Bonding und dem Stillen
  • Frauen nach Sectio berichten zum Teil über eine „Erlebnis-Lücke“, die durch die Sichtbarriere aufgrund der Abdecktücher bei der Sectio ihres Kindes entsteht  
  • Das fehlende visuelle Erlebnis führt zu Schwierigkeiten beim Aufbau einer Verbindung zu ihrem Kind
  • Aus oben genannten Gründen, soll die sogenannte „sanfte Kaiserschnittgeburt“ („gentle caesarien section„) gefördert werden
  • Dazu gehören das Zusehen der Geburt des Kindes während der Sectio mittels einem speziellen Abdecktuch der OP-Technik und ein früher Haut- zu Haut – Kontakt von Mutter und Kind (Bondingtuch)

 Voraussetzungen  

  • Es muss sichergestellt sein, dass das behandelnde Team das Konzept der Fenstersectio kennt und weiss, dass die Öffnung des Tuches jederzeit abgebrochen werden kann
  • Ausserdem müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:  
Wunsch der Frau/Paares nach Zusehen bei der Sectio
Eingriff in Regionalanästhesie
Keine zu erwartenden Komplikationen (Kindsentwicklung, Plazentalösung, Atonie, vermehrte Blutung)
Gestationsalter > 34+0 SSW  

 Kontraindikationen

Absolut 

Patientinnen mit psychischen Vorerkrankungen, Traumata (nach Abklärung)
Sprachliche Verständigung erschwert bzw. nicht möglich
Frühgeburt ≤ 34+0 SSW
Sectio Stufe 1
Fetale Fehlbildungen
Placenta prävia 

 Relativ

Beckenendlage
Sectio Stufe 2
Mehrlinge

Nach sorgfältiger Einzelfallabwägung können auf besonderen Wunsch der Patientin / des Paares in Rücksprache mit der Geburtshilfe Ausnahmen gemacht werden.  

 Interdisziplinäre Zusammenarbeit  

  • Dieses Angebot erfordert eine gut eingespielte interprofessionelle Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Teams (Hebamme, Geburtshilfe, Anästhesie, OP-Team) mit klarer Aufgabenzuteilung  
  • Das Anästhesieteam ist für das Öffnen des Fensters auf Aufforderung des Geburtshelfers verantwortlich 
  • Das Anästhesieteam ist dafür verantwortlich, dass der Frau die Sicht auf das Kind ermöglicht wird (ev. zusätzliches Kissen notwendig)
  • Die Hebamme ist für das Kind und die perinatale Versorgung des Kindes verantwortlich 

 Mögliche Zeitpunkte der Fensteröffnung

  • Prinzipiell ist eine Fensteröffnung während des gesamten Eingriffes möglich
  • Es erscheint jedoch sinnvoll, die Fensteröffnung auf die Dauer der Kindsentwicklung, Abnabelung und Übergabe an die Hebamme zu beschränken
  • Das Zeitfenster für die Fensteröffnung muss individuell festgelegt und beim Team- Timeout durch die OP- Technik abgefragt werden
  • Das Fenster muss jederzeit auf Anweisung einer an der OP beteiligten Person geschlossen werden können

Vorbereitung 

  • Aufklärung und Vorbereitung über Sectio und Ablauf gemäss hausinternen Standard Sectio 
  • Die Operateurin/ der Operateur legt mit dem Paar den Zeitpunkt des Zuschauens fest (als Standard gilt die Dauer der Kindsentwicklung bis zur Abgabe an die Hebamme)
  • Auf der OP-Anmeldung in LUKiS muss festgehaltenwerden, wenn eine «Fenstersectio» geplant wird und ab welchem Zeitpunkt das Fenster geöffnet wird 

 Ablauf

  • OP- Vorbereitung gemäss hausinternem Standard Sectio  
  • Patientin und Partner/-in werden vor der Sectio von der Operateurin/ dem Operateur nochmals gefragt, ob das Zuschauen immer noch erwünscht ist
  • Beim Timeout wird nochmals explizit das Zeitfenster des Zuschauens abgefragt  
  • Dokumentation im Geburtsbericht und Geburtenbuch, dass die Sectio als Fenstersectio stattgefunden hat  

 Information über das Angebot

  • Frauen, bei denen eine Sectio geplant ist, werden im Rahmen des Geburtsprocederegesprächs über den Eingriff und die Möglichkeit der Fenstersectio informiert und aufgeklärt  

 Literatur

  •  Coates, D., Thirukumar, P., & Henry, A. (2020). Women’s experiences and satisfaction with having a cesarean birth: An integrative review. Birth, 47(2), 169-182. doi:10.1111/birt.12478
  • Dewey, K. G., Nommsen-Rivers, L. A., Heinig, M. J., & Cohen, R. J. (2003). Risk factors for suboptimal infant breastfeeding behavior, delayed onset of lactation, and excess neonatal weight loss. Pediatrics, 112(3 Pt 1), 607-619. doi:10.1542/peds.112.3.607
  • Mercier, R. J., & Durante, J. C. (2018). Physician and Nurse Perceptions of Gentle Cesarean Birth. MCN Am J Matern Child Nurs, 43(2), 97-104. doi:10.1097/nmc.0000000000000404
  • Simkin, P. (1991). Just another day in a woman’s life? Women’s long-term perceptions of their first birth experience. Part I. Birth, 18(4), 203-210. doi:10.1111/j.1523-536x.1991.tb00103.x 
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
KD Dr.med. Mattias Casutt
Oberarzt mbF Anästhesie