Vorgehen Sectio bei Plazenta percreta im Hybrid-OP
Achtung: Vorgehen bei Sectio bei Plazenta percreta im Hybrid-OP
Neues SOP
12. August 2024
KD Dr. med. Jackie Benz
Leitende Ärztin Anästhesie

Vorgehen Sectio bei Plazenta percreta im Hybrid-OP

Eingriffsspezifische Besonderheiten

  • Schwangere welche eine Plazentationsstörung im Sinne einer Plazenta percreta mit potenzieller oder nachgewiesener Infiltration von Nachbarorganen (Blase, Darm…) aufweisen, haben ein massiv erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko
  • Diese Patientinnen werden interdisziplinär in einem Round-Table besprochen und elektiv im Hybrid-OP sectioniert

Präoperativer Ablauf

Diagnose Plazentationsstörung durch Geburtshelfer

  • US-Anzeichen: Verlust der physiologischen hypoechogenen retroplazentaren Zone («clear zone»)
  • Ausdünnung des darunterliegenden hypoechogenen Myometriums
  • Vermehrte Lakunen (Gefässerweiterungen) innerhalb der Plazenta
  • Verlust der Verschieblichkeit zwischen Uterus und Blase
  • Uterovesikale Hypervaskularisation
  • Brückengefässe («bridging vessels»: kreuzende Gefässe an der myometral-plazentaren Grenzzone und der uterovesikalen Grenzzone)
  • Ev. MRI-Befund zusätzlich

Einberufung Round-Table durch Geburtshelfer

  • Zwingend anwesende Disziplinen: Geburtshelfer, operative Gynäkologen (C. Christmann oder Ch. Brambs), Anästhesie-OA (wenn möglich aus Gyn-Leitungsteam), interventionelle Radiologie oder Gefässchirurgie (zwingend Person, welche am OP-Tag anwesend sein wird), OP-Koordination (Aufgabe: Terminfindung Hybrid- und ZIM-Kapazität während des Round-Tables), ev. Urologie

Ablauf Round-Table

  • Vorstellung der Patientin und des Befunds sowie geplantes geburtshilfliches und gynäkologisches Vorgehen mit Angabe potentieller Risiken
1) Beschreibung Zugang/Schnitt
2) Umgang Plazenta: primäre Entfernung angestrebt versus Belassen in situ (Kommunikation bezgl. Pabal®-Gabe!)
3) Festlegung Stufenplan bei starker Blutung trotz Okklusionsballonen: Bakri-Ballon- Celox®-Tamponnade- Hysterektomie
  • Planung Okklusionsballone iliaca interna bds.; Plan B Okklusionsballone A. iliaca communis oder chirurgisches Klemmen; Aortenokklusion mittels REBOA als Notfall-Backup vorhanden
  • Planung DJ-Einlage durch Urologie im Falle einer potentiellen Infiltration der Ureteren (Einlage DJ möglichst einige Tage präoperativ)
  • Gemeinsame Terminsuche Sectio mit anwesendem OP-Management Hybrid- & ZIM-Kapazität sowie Anwesenheit Operateure/Anästhesie
  • Festlegung eines Notfallszenarios im Falle einer Notfallsectio vor dem festgelegten elektiven Termin – ev. ausserhalb der Betribeszeiten des Hybrid-OPs
  • Festlegung eines interdisziplinären Besprechungstermin mit der Patientin

Besprechungstermin mit der Patientin

  • Geburtshelfer : erklärt elektives Prozedere sowie Notfall-Prozedere
  • Danach Anästhesie-Prämedikationsgespräch (möglichst gleicher Anästhesist wie am OP-Tag): Aufklärung über multiple Leitungen wach (s.u.), längere Sedation zur Okklusionskathetereinlage, Vollnarkose zur Sectio, Blutprodukt- und Gerinnungsfaktorengabe und postoperative Verlegung ZIM. Aufklärung Kindsvater über Möglichkeit der Anwesenheit in Hybrid-OP-Vorbereitung (Cave Kindsvater informieren: Kind ist initial in „Vollnarkose“ und wacht erst nach Abatmen der Narkosegase durch Neonatologen auf!).
  • Ebenfalls Aufklärung durch interventionelle Radiologen oder Gefässchirurgen

Präoperatives Labor/EC-Bestellung

  • Durch Geburtshelfer zu veranlassen
  • Zwingend bestimmen: HG1, Gerinnungsstatus, Na, K, Crea, Ferritin, Transferrinsättigung, T&S
  • 4 ECs bestellen

Anästhesieverfahren elektive Sectio im Hybrid-OP

  • Initial LAS mit Remifentanil, danach Intubationsnarkose
  • Bestellung auf 7h20 – direkt in Saal
  • Respirator Position B, Arme ausgelagert
  • Vorbereitung: Rapid-Infusor, CATS mit 2 Reservoirs und Transfusionstisch bereit
  • Perfusoren aufgezogen: Remifentanil, Propofol und Noradrenalin
  • Gerinnungsprodukte vorhanden: 4 EC im OP-Kühlschrank, Tranexamsäure, Calcium, Fibrinogen
  • Uterotonika vorhanden: Pabal®, Nalador®

Zugänge

  • Einlage erstes Venflon rechts, danach Applikation von Remifentanil-Perfusor ca. 3.3mcg/min; Boli von 20mcg vor weiteren Punktionen
  • Weitere Einlage 2 grosslumige Venflons bds., Art. Kath und ZVK jug int. 3L
  • Sofortiges Wärmen mit BairHugger®!

Lagerung

  • Weit herunterrutschen bis Beine in Lagerungsstiefeln (Stiefellagerung HB. 31)
  • Arme ausgelagert
  • Einlage DK wach unter Remifentanil
  • Abwaschen und Abdecken Bauch und Leisten (grossflächig) bds. wach. Cave auskühlen – aktives Wärmen mittels BairHugger® nicht unterbrechen!

Narkoseführung

Einlage DJ-Katheter durch Urologie

  • Möglichst in separatem Termin vorgängig in LAS (Remifentanil)

Einlage Okklusionsballone

  • In LAS (Remifentanil, ev. kleine Boli Propofol wenn nötig). Gefässpunktion mit Ultraschall (ev. Anästhesie-US-Gerät)
  • Radiologische Kontrolle der Okklusionsballone
Zeitgleich telefonische Einbestellung Hebammen und Neonatologie zur Einrichtung Panda in der Hybrid-Vorbereitung (durch Anästhesie oder OP-Personal)
Kurze Besprechung Anästhesie-Neonatologie über die geplanten Narkotika zur Einleitung
Anwesenheit des Kindsvaters (Betreuung durch Hebamme) in der Hybrid-Vorbereitung

Sectio in Allgemeinanästhesie

  • Einleitung erst wenn Operateure Schnittbereit!
  • RSI mit C-Mac (Cave lagerungsbedingt Einstellung von der Seite)
  • Einleitungsmedikamente: Remifentanil Bolus 1mcg/kgKG, Propofol 2mg/kgKG, Rocuronium 0.9mg/kgKG
  • Aufrechterhaltung: Sevofluran und Remifentanil-Perfusor bis Kind abgenabelt. NA-Perfusor falls nötig. (Ziel-Systole > 100mmHg s. SOP Sectio).
Begründung: die Dauer von Anästhesieeinleitung bis Entbindung des Kinds kann lange (> 10 Minuten) dauern wenn starke Verwachsungen der Plazenta z.B. mit Darmgewebe bestehen. Durch die Plazentagängigkeit der Narkotika wird das Kind mit-anästhesiert und ist nach Abnabelung in «Narkose»/apnoeisch. Remifentanil kann vom Kind rasch über die ubiquitären unspezifischen Esterasen (z.B. in Erythrozyten) abgebaut werden und Sevofluran wird durch die Neonatologen abgeatmet. So ist ca. 10 Minuten nach Abnabelung eine quasi normale Adaptation zu erwarten. Der Kreislauf des Kindes wir im Allgemeinen nicht beeinträchtigt und die Nabelschnur-pH-Werte sind im Normbereich

Nach Abnabelung des Kindes

  • Gabe von Pabal® nach Rücksprache mit Geburtshelfern
  • Gabe von Fentanyl und Wechsel von Sevofluran auf Propofol zur Verbesserung des Uterotonus

Postpartale Hämorrhagie

  • Behandlung nach PPH-Algorithmus 
  • Zeitnahe Information der Operateure über Blutverlust, Gerinnungsprodukte und Laborwerte durch Anästhesie
  • Zeitnahe Information über Strategie der Operateure an Anästhesie
Cave: Schwangere haben am Termin niedrige F XIII-Werte – früh bestimmen und substituieren bei schwerer Hämorrhagie

Notfallplan bei dringlicher Sectio vor dem elektiven Termin

  • Sofortige Information Geburtshelfer an DA Anästhesie, DA Gefässchirurgie und OP-Koordination
  • DA Anästhesie bietet Hintergrunddienst auf
  • Ort: Unter der Woche tagsüber wenn möglich im Hybrid-OP wie oben beschrieben durchführen
  • Nachts und am Wochenende in OP im EG
  • Wenn keine Einlage von Okklusionballonen vor Sectio möglich: intraoperativ A. iliaca communis chirurgisch klemmen (alternativ REBOA) durch Gefässchirurgie

Postoperatives Management

  • ZIM-Bett reserviert
  • Bei geringem Blutverlust über AWR auf Station
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
KD Dr. med. Jackie Benz
Leitende Ärztin Anästhesie