Parkinson Syndrom
Achtung: Parkinson Syndrom
Ab sofort steht unter Patientenmanagement ein SOP zur perioperativen Betreuung von Patienten mit Parkinson-Syndrom zur Verfügung.
12. März 2025
Luzia Vetter Räss
Pflegeexpertin APN Anästhesie

Parkinson Syndrom

Krankheitsbedingte besonderheiten

  • Tremor, Rigidität, Bradykinesie, autonome Dysfunktion (z. B. orthostatische Hypotonie, gestörte Temperaturregulation)
  • Verlust dopaminerger Zellen

Erhöhte perioperative Risiken

  • Atemwegsprobleme (unzureichender Hustenstoss, zähes Sekret, Aspirationsgefahr)
  • Gastrointestinale Risiken (Dysphagie, verzögerte Magen-Darm-Passage und damit verminderte Resorption der Dauermedikation)

Präoperativ

  • Möglichst als ersten Punkt auf dem OP-Programm planen, da sich die Parkinsonsymptome trotz Therapie häufig im Laufe des Tages verschlechtern
  • Anamnese der Parkinsonmedikamente (stundengenau, Levodopa wird auch «nach Bedarf» eingenommen)
  • EKG (Patientenalter, Nebenwirkungen Medikamente)

Perioperativ

Perioperative Fortführung der Antiparkinson-Medikamente
  • Abruptes Absetzen kann zu einem Aufflackern der Parkinson-Symptome führen (motorisch und bulbär, mögliche Rebound-Hypertonie, neuroleptisches malignes Syndrom oder verwandtes Entzugssyndrome)
  • Sicherstellung einer kontinuierlichen, lückenlosen Verabreichung der Dauermedikation in Rücksprache mit Neurologie (Verwendung eines löslichen L-Dopa-Präparats via Magensonde oder gegebenenfalls parenterale Substitution z. B. subkutanes Apomorphin oder transdermales Rotigotin)

 Kontraindizierte Medikamente

  • Absolut kontraindiziert sind alle Dopamin-antagonistischen Substanzen
Metoclopramid (Paspertin®)
Phenothiazine: Levomepromazin (Nozinan®)
Butyrophenone: Haloperidol (Haldol®), Droperidol, Pipamperon (Dipiperon®), Melperon
Die Applikation dieser Substanzen kann ein malignes neuroleptisches Syndrom auslösen

Anästhesieverfahren

Regionalanästhesie

  • Bevorzugung der regionalen Anästhesie, sofern möglich, um eine kontinuierliche medikamentöse Einnahme zu gewährleisten und den Einsatz systemischer Analgetika zu reduzieren

Allgemeinanästhesie

  • Einsatz von Rapid Sequence Induction (RSI) bei erhöhtem Aspirationsrisiko (ggf. mit Ultraschallüberprüfung des Mageninhalts)
  • Notwendigkeit eines differenzierten kardiovaskulären Managements
  • Angepasste Volumen- und Katecholamintherapie, die der ausgeprägten Vasodilatation und den potenziellen Blutdruckentgleisungen Rechnung trägt
  • Erweiterte hämodynamische Überwachung (z. B. arterielle Blutdruckmessung)
  • Diskussion des Ketamin-Einsatzes
Einsatz von Ketamin wird kontrovers diskutiert, da mit einer gesteigerten sympathikotonen Reaktion (unerwartete Blutdruckanstiege) und einer prohalluzinogenen Wirkung gerechnet werden muss. Andererseits kann sich der NMDA-Antagonismus aber auch positiv auswirken. Es gibt Autoren, die für die Prophylaxe von postoperativen Dyskinesien, gerade wenn kein L-Dopa gegeben werden kann, Ketamin (0,1–0,5 mg/kgKG) empfehlen (Wright et al., 2009).

Postoperatives Management

  • Engmaschige Überwachung im Aufwachraum
  • Differenzierung zwischen Narkosemittelüberhang und Verschlechterung der Parkinsonsymptome
  • Ein verstärkter Tremor oder ein beginnendes Delir sind augenfälliger als eine Bradykinesie oder Rigor
  • Früherkennung und Behandlung eines postoperativen Delirs

Patientenlagerung

– Oberkörper hochlagern zur Reduktion des Aspirationsrisikos

Monitoring und supportive Massnahmen

  • Bladder Scan wegen erhöhtem Risiko für Harnverhalt
  • Fortführung bzw. rasche Wiederaufnahme der Anti-Parkinson-Medikation

Spezielle Therapien

Pumpentherapie

  • Pumpe ermöglichen eine kontiniuerliche Medikamentengabe via Jejunalsonde (Levodopa) oder subcutan (Apomorphin)
  • Perioperative Weiterführung der Pumpe oder, falls nicht möglich, neurologische Konsultation zur Dosisanpassung

Tiefe Hirnstimulation (THS, deep Brain Stimulation)

  • Stromfluss über den Schrittmacher hinweg vermeiden
  • Auf unipolares Kauterisieren sollte verzichtet werden, bipolares Kauterisieren ist problemlos möglich
  • Die Punktion eines zentralen Venenkatheters sollte kontralateral der am Hals verlaufenden Stimulationskabel erfolgen

Quellen

  • Merli, G.J., Bell, R.D. Perioperative care of the surgical patient with neurologic disease. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Accessed on October, 22th 2024)
  • Wright JJ, Goodnight PD, McEvoy MD. The utility of ketamine for the preoperative management of a patient with Parkinson’s disease. Anesth Analg 2009; 108: 980–982. doi:10.1213/ane.0 b013e3181924025
  • Zech, N., & Sinner, B. (2022). Anästhesie und perioperative Betreuung bei Patienten mit Morbus Parkinson. AINS-Anästhesiologie· Intensivmedizin· Notfallmedizin· Schmerztherapie, 57(09), 578-586
Mitwirkende Autor/innen

Verantwortlicher Author
Luzia Vetter Räss
Pflegeexpertin APN Anästhesie