Parkinson Syndrom
Krankheitsbedingte besonderheiten
- Tremor, Rigidität, Bradykinesie, autonome Dysfunktion (z. B. orthostatische Hypotonie, gestörte Temperaturregulation)
- Verlust dopaminerger Zellen
Erhöhte perioperative Risiken
- Atemwegsprobleme (unzureichender Hustenstoss, zähes Sekret, Aspirationsgefahr)
- Gastrointestinale Risiken (Dysphagie, verzögerte Magen-Darm-Passage und damit verminderte Resorption der Dauermedikation)
Präoperativ
- Möglichst als ersten Punkt auf dem OP-Programm planen, da sich die Parkinsonsymptome trotz Therapie häufig im Laufe des Tages verschlechtern
- Anamnese der Parkinsonmedikamente (stundengenau, Levodopa wird auch «nach Bedarf» eingenommen)
- EKG (Patientenalter, Nebenwirkungen Medikamente)
Perioperativ
Perioperative Fortführung der Antiparkinson-Medikamente
- Abruptes Absetzen kann zu einem Aufflackern der Parkinson-Symptome führen (motorisch und bulbär, mögliche Rebound-Hypertonie, neuroleptisches malignes Syndrom oder verwandtes Entzugssyndrome)
- Sicherstellung einer kontinuierlichen, lückenlosen Verabreichung der Dauermedikation in Rücksprache mit Neurologie (Verwendung eines löslichen L-Dopa-Präparats via Magensonde oder gegebenenfalls parenterale Substitution z. B. subkutanes Apomorphin oder transdermales Rotigotin)
Kontraindizierte Medikamente
- Absolut kontraindiziert sind alle Dopamin-antagonistischen Substanzen
Metoclopramid (Paspertin®)
Phenothiazine: Levomepromazin (Nozinan®)
Butyrophenone: Haloperidol (Haldol®), Droperidol, Pipamperon (Dipiperon®), Melperon
Die Applikation dieser Substanzen kann ein malignes neuroleptisches Syndrom auslösen
Anästhesieverfahren
Regionalanästhesie
- Bevorzugung der regionalen Anästhesie, sofern möglich, um eine kontinuierliche medikamentöse Einnahme zu gewährleisten und den Einsatz systemischer Analgetika zu reduzieren
Allgemeinanästhesie
- Einsatz von Rapid Sequence Induction (RSI) bei erhöhtem Aspirationsrisiko (ggf. mit Ultraschallüberprüfung des Mageninhalts)
- Notwendigkeit eines differenzierten kardiovaskulären Managements
- Angepasste Volumen- und Katecholamintherapie, die der ausgeprägten Vasodilatation und den potenziellen Blutdruckentgleisungen Rechnung trägt
- Erweiterte hämodynamische Überwachung (z. B. arterielle Blutdruckmessung)
- Diskussion des Ketamin-Einsatzes
Einsatz von Ketamin wird kontrovers diskutiert, da mit einer gesteigerten sympathikotonen Reaktion (unerwartete Blutdruckanstiege) und einer prohalluzinogenen Wirkung gerechnet werden muss. Andererseits kann sich der NMDA-Antagonismus aber auch positiv auswirken. Es gibt Autoren, die für die Prophylaxe von postoperativen Dyskinesien, gerade wenn kein L-Dopa gegeben werden kann, Ketamin (0,1–0,5 mg/kgKG) empfehlen (Wright et al., 2009).
Postoperatives Management
- Engmaschige Überwachung im Aufwachraum
- Differenzierung zwischen Narkosemittelüberhang und Verschlechterung der Parkinsonsymptome
- Ein verstärkter Tremor oder ein beginnendes Delir sind augenfälliger als eine Bradykinesie oder Rigor
- Früherkennung und Behandlung eines postoperativen Delirs
Patientenlagerung
– Oberkörper hochlagern zur Reduktion des Aspirationsrisikos
Monitoring und supportive Massnahmen
- Bladder Scan wegen erhöhtem Risiko für Harnverhalt
- Fortführung bzw. rasche Wiederaufnahme der Anti-Parkinson-Medikation
Spezielle Therapien
Pumpentherapie
- Pumpe ermöglichen eine kontiniuerliche Medikamentengabe via Jejunalsonde (Levodopa) oder subcutan (Apomorphin)
- Perioperative Weiterführung der Pumpe oder, falls nicht möglich, neurologische Konsultation zur Dosisanpassung
Tiefe Hirnstimulation (THS, deep Brain Stimulation)
- Stromfluss über den Schrittmacher hinweg vermeiden
- Auf unipolares Kauterisieren sollte verzichtet werden, bipolares Kauterisieren ist problemlos möglich
- Die Punktion eines zentralen Venenkatheters sollte kontralateral der am Hals verlaufenden Stimulationskabel erfolgen
Quellen
- Merli, G.J., Bell, R.D. Perioperative care of the surgical patient with neurologic disease. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Accessed on October, 22th 2024)
- Wright JJ, Goodnight PD, McEvoy MD. The utility of ketamine for the preoperative management of a patient with Parkinson’s disease. Anesth Analg 2009; 108: 980–982. doi:10.1213/ane.0 b013e3181924025
- Zech, N., & Sinner, B. (2022). Anästhesie und perioperative Betreuung bei Patienten mit Morbus Parkinson. AINS-Anästhesiologie· Intensivmedizin· Notfallmedizin· Schmerztherapie, 57(09), 578-586